Betroffene berichten

Uwe: In meinem Leben habe ich so vieles verspielt – nicht nur Unmengen an Geld

„Wenn ich sage, ich hätte die Hälfte meines bisherigen Lebens gespielt, so klingt dies besser als die Wahrheit. Und wenn ich hier so täte, als hätte ich alles hinter mir, so wäre dies ebenfalls geheuchelt.

Mit meiner Mutter wuchs ich in den 1970er Jahren in Wohngemeinschaften auf. Es wurde meditiert, Partys wurden gefeiert, es gab Streit um den Abwasch und die gesamte Atmosphäre war sehr ‚alternativ’. Eines Tages wurde ich mit anderen Kindern von irgendwelchen Freaks in einem alten VW-Bus zu einem Kinderfest auf einen Bauernhof mitgenommen.

Die sehr antiautoritäre Einstellung dieser Leute führte dazu, dass sie jedem Kind an einer Autobahnraststätte 1 Mark gaben, damit wir den Daddelautomaten an der Wand ausprobieren konnten. Als ich an der Reihe war, spuckte der Automat plötzlich viel Geld aus. Diesen Moment vergaß ich nie, und ich gehe davon aus, dass er den Grundstein für meine Spielerkarriere gelegt hat. Schon als Zivildienstleistender verlor ich komplett die Kontrolle. Ich verzockte stets mein gesamtes Geld an Daddelautomaten. In einigen Fällen stahl ich Geld, um die Automaten weiter füllen zu können. Mit einem Freund machte ich darüber hinaus drei Einbrüche. Wo mein Anteil hin floss, muss ich nicht extra erwähnen.

Mit demselben Freund erfand ich ein ‚Roulette-System’, das es nicht gibt. Dennoch hat es anfangs funktioniert. Andauernd fuhr ich die 100 Kilometer zum nächsten Casino, setzte meine Zahlen und fast immer kamen sie auch. Ich ging groß Einkaufen, wurde übermütig und glaubte zeitweise ernsthaft an eine Zukunft als ‚Berufsspieler’. Irgendwann kamen die Zahlen nicht mehr – und es ging auch finanziell abwärts.

Da ich sehr gut im Verdrängen bin, habe ich lange nichts gegen meine Spielsucht unternommen. Die erschütternde Bilanz ist, dass ich mich in den vergangenen 25 Jahren oft in überaus schwierige Situationen begeben, Vertrauen verspielt und mich zeitweise sogar strafbar gemacht habe. Beinahe hätte ich meine Familie verloren – und dies bereits dreimal. Weder Daddelhallenautomaten, Casinoautomaten oder Roulette und Poker (online und offline), noch meine reichhaltige Erfahrung mit diesen Spielen haben mir geholfen, die schlimmen, finanziellen Folgen meiner Zockerei zu lindern.

Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Das Zurückholen des verspielten Geldes, das wir Zocker uns selbst gegenüber gerne als Argument für das Weiterspielen anbringen, funktioniert nicht. Der einzige, sinnvolle Weg ist eine Behandlung mitsamt einer Aufarbeitung, bzw. eines Reparierens der entstandenen Probleme – auch wenn dies lange dauert.

Heute fühle ich mich zwar besser, da ich eine Therapie angefangen und mich derzeit etwas besser unter Kontrolle habe (dies bilde ich mir zumindest ein). Allerdings bin ich noch lange nicht über den Berg. Und selbst große Fortschritte, die hoffentlich irgendwann einsetzen, werden die Sucht vermutlich nie zerstören, wie die Erfahrung vieler anderer Betroffener zeigt. Die Sucht kontrollieren zu lernen ist wohl der entscheidende Punkt. Als Mensch mit Ideen und Interessen brauche ich keine zusätzliche Beschäftigung.

D.h. ich spiele nicht, da mir langweilig wäre, sondern da ich ‚muss’. Neben allen anderen negativen Folgen nimmt mir die Zockerei Kapazitäten in meinen Gedanken. D.h. ich könnte mich weitaus besser auf wichtige Aufgaben konzentrieren, wenn ich nicht dauernd an Jackpots, Royal Flushes und ähnlichen Blödsinn denken müsste. Solange ich von der ‚Scheiß-Spielsucht’ kontrolliert werde, wird es nicht aufwärts gehen. Es muss umgekehrt sein, ich muss die Spielsucht kontrollieren.“

Michael: Aus Langeweile kam ich zum Zocken

„Im Jahre 1989 kam ich nach Bremen und bekam 1990 meine erste Wohnung 100 Meter neben einer Spielhalle. Da ich hier keinen kannte, suchte ich natürlich auch Freunde und soziale Kontakte. Daraufhin ging ich in die Spielhalle, erst nur zum Kaffeetrinken, aber nach und nach steckte ich auch in die Automaten Geld rein. So fing meine Spielsucht an. Zu der Zeit dachte ich nicht, dass es eine Krankheit ist, aber mit der Zeit und über die Jahre hinweg kam ich von den Spielautomaten nicht mehr weg.

Am Anfang sah ich das noch mit anderen Augen, denn ich dachte immer, dass ich das Spielen unter Kontrolle habe. Es gab auch Zeiten, wo ich nicht spielen gegangen bin, aber diese sind immer seltener im Laufe der Jahre geworden. 1994 heiratete ich, und durch meine Spielsucht und meine Lügereien ging meine Ehe im Jahr 2001 kaputt. Zu dieser Zeit bin ich nur noch arbeiten gegangen, um meine Schulden zu begleichen. Trotzdem habe ich dann auch noch weitere Schulden gemacht. Es war für mich immer ein Auf und Ab in den vergangenen Jahren. Zu dieser Zeit hätte ich nicht einmal über mein Problem – die Spielsucht – reden können.

So zog sich meine ‚Zockerkarriere’ bis ins Jahr 2006, wo ich dann erstmals gelernt habe, über meine Spielsucht zu sprechen. Da habe ich gemerkt, dass ich die Sucht nicht ohne Hilfe bewältigen kann. So hatte ich im Dezember 2007 einen Rückfall, der mir sehr zu schaffen machte. Meinen damaligen Arbeitgeber informierte ich über meinen Rückfall und darüber, dass ich das nicht mehr alleine schaffe.

Aus diesem Grund hat mein Chef sich im Internet schlau gemacht und mir einige Adressen gegeben, wo ich mich hinwenden kann, was ich dann auch getan habe. Meine erste Kontaktadresse war dann das Psychiatrische Behandlungszentrum in Bremen-Nord, wo ich dann erfahren habe, dass es stationäre Kliniken gibt, die sich mit der Krankheit Spielsucht beschäftigen. Durch die Vorlaufgruppen, die es gibt, und den Antrag für die stationäre Therapie habe ich für mich den ersten Schritt getan gehabt, um meine Sucht in den Griff zu bekommen.

Als erstes musste ich mir darüber bewusst werden, dass ich krank bin, obwohl man diese Krankheit nicht sieht, so wie es bei Alkohol oder Drogen der Fall ist. Nach einer gewissen Anlaufzeit konnte ich dann meine Therapie in einer Klinik im Sauerland beginnen. Der Anfang in der Klinik war zwar ungewohnt, aber ich habe dort sehr viel über meine Krankheit gelernt.

Vom heutigen Stand kann ich nur jedem raten, sich professionelle Hilfe zu holen. Ich habe es geschafft, schon über ein Jahr spielfrei zu sein. Es lohnt sich wirklich, ein abstinentes Leben, denn dadurch ist auch meine Lebensqualität gestiegen. Ich habe es geschafft und Ihr könnt es auch. Lasst Euch beraten und holt Euch Hilfe. Mir hat es auch geholfen.“